Bernhard Peters über die Olympischen Spiele 2020

Die Olympischen Spiele 2020 sind Geschichte. Das Jahr der Durchführung war ein anderes und auch das Abschneiden der deutschen Mannschaften in den Spielsportarten fiel anders aus als erhofft. In dem Medaillenspiegel rangt hinter den Teamsportarten eine große 0.

Es dürfte keine Überraschung sein, welche Bedeutung die Olympischen Spiele für uns haben. Unser gesamtes Team von BPTC Sports ist von Bernhard Peters Erfahrungen geprägt und kein Sportereignis hat eine größere Bedeutung für Bernhard als die Olympischen Spiele. Deswegen liefen bei uns, wie in vielen anderen Büros sicherlich auch, die Livestreams der Übertragungen stets im Hintergrund, um trotz der Pandemie möglichst viel von dem olympischen Geist in unsere Räume zu spülen. Dabei gab es aus deutscher Sicht einige erfreuliche Momente wie den Gewinn der Goldmedaille im Tenniseinzel durch den Hamburger Alexander Zverev. Die Spiele waren aus deutscher Sicht jedoch auch geprägt von Ernüchterung. Besonders aus Sicht der deutschen Spielsportarten.

Retrospektiv gab es schon in der Qualifikation für diese Spiele zahlreiche Anzeichen auf das spätere Abschneiden in den Mannschaftswettkämpfen. Die deutschen Fußball-Frauen, die Herren im Volleyball, grundsätzlich keine deutschen Vertreter im Wasserball oder Rugby – allein die Anzahl der teilnehmenden deutschen Mannschaften war wenig zufriedenstellend. Das Abschneiden der teilnehmenden Teams setzte die Kette der Unwägbarkeiten fort. Keine Medaille gewonnen und ein frühes Ausscheiden der Mannschaften waren mehr die Regel als die Ausnahme. Die Teams blieben oftmals hinter den eigenen und den Erwartungen der Sportbegeisterten zurück.

Doch worin lassen sich die Gründe für dieses Abschneiden vermuten? Sind die Fehler in der täglichen Arbeit der Mannschaften zu suchen oder liegen die Probleme tiefer? Insbesondere diese Fragen hat Bernhard Peters in einem Interview mit der Sportschau beleuchtet. Die wichtigsten Aussagen, um sich potenziellen Fehlerquellen und Lösungsansätzen zu nähern, finden sich im Folgenden.

Eine eindimensionale Erklärung ist dabei schwer vorzunehmen. Vielmehr sind es parallele Entwicklungen und Ursachen, die zu den aktuellen Ergebnissen führen. „Generell tun wir uns mit der Entwicklung im Hochleistungsbereich schwer, weil die Stufen darunter, der Kinder-, Aufbau- und Leistungsbereich, nicht systematisch ausgebildet werden. Die natürliche Umsetzung des freien Spielens ist für die Kinder nicht mehr gegeben.“ Nach den Aussagen von Bernhard Peters fehlt es dabei vorwiegend auch an der flächendeckenden Ausbildung von Kindertrainer über die Spielsportarten hinweg: „Ich glaube auch, dass wir in vielen Ballsportarten verpasst haben, flächendeckend gute Kindertrainer auszubilden, die angepasst an kindgerechte Bedürfnisse mit gutem pädagogischen Können Spielfähigkeit aufbauen können. Früher wurde sich das durch Ausprobieren auf der Straße, mit Klettern und freiem Spiel beiläufig geholt; heute wird oft die Freizeit komplett durchgeplant.“ Die zunehmende Anzahl an Wettbewerben und Spielen ist eine weitere wichtige Ursache, weshalb eine strategische Vorbereitung auf Olympische Spiele, oder eine nachhaltige Entwicklung der Spieler auf ein spezielles Ereignis grundsätzlich schwerer geworden ist. „Handball ist ein abschreckendes Beispiel dafür, dass ein Bundestrainer, ob der aktuelle oder der vorherige, hier eine systematische Leistungsverbesserung gar nicht mehr bewerkstelligen kann, weil die Vielzahl der Spiele national und im europäischen Wettkampfsystem die Akteure total ausquetscht. Es wird im Drei-Tages-Rhythmus nur in Ergebnissen gedacht, eine gezielte Vorbereitung auf Olympia ist nie möglich. Es gibt keinerlei mittelfristige Trainings- und Ausbildungsphasen, der Aufbau einer absoluten Topform für den Einzelnen und das Team bleibt auf der Strecke.“

Der allgemeine Mangel an Bewegung von Kindern, der seit Jahren zahlreichen Studien und Statistiken fortwährend zunimmt, stellt eine weitere Herausforderung an den Sport. Eine Herausforderung, die Verbände und Vereine nur schwerlich im Alleingang verändern können: „Der Bewegungsmangel multipliziert sich in einem hoch technologisierten Land, wenn Kinder stundenlang nur vor Computer, Smartphone oder Rechner sitzen. Die verlorene Zeit an Training ist nicht so leicht aufzuholen. Wann endlich versteht die Politik, die Gesundheitspolitik, dass dies ein gesellschaftliches Problem wird, wenn in unserem Krankenkassen-Versorgungssystemen schon bei Kindern Übergewicht und Diabetes brutal zunehmen. Da brauchen die Verbände und Vereine viel mehr finanzielle Unterstützung, um präventiv durch Sport Einhalt zu gebieten.“ Das Ausbleiben von Resultaten, der Sportbegeisterung und sportlichen Vorbildern wie jetzt bei Olympia oder zuvor schon bei der UEFA Europameisterschaft verstärkt diese Problematik. Denn Kinder brauchen Vorbilder: „Idole werden erzeugt, damit die breite Masse ihnen nacheifert, aus der die nächsten Topleute im Handball, Basketball oder Hockey nachwachsen. Wenn aber die Spitze zu wenig leuchtende Vorbilder bringt, wird die Ausbildungsarbeit eher schwerer.“

Auffällig ist, dass auch im Sport eine Unterscheidung zwischen Mann und Frau, gerade in den Spielsportarten, zu erkennen ist. Hier kann sich der deutsche Sport an angloamerikanischen Vorbildern orientieren: „Ich kann nur sagen, dass in den angloamerikanischen Ländern die Frauensportarten eine höhere Bedeutung besitzen, beispielsweise der Frauenfußball in den USA. Frauensport ist besser in der Leistungssportkultur etabliert, gerade die Ballsportarten. Das Problem ist, dass der Hochleistungsbereich bei den Frauen wirtschaftlich noch schlechter abgesichert ist als bei den Männern, wenn wir an Fußball, Handball, Hockey oder Basketball denken. Eine Frau überlegt sich noch viel mehr, ob sie für den Sport wirklich die berufliche oder schulische Ausbildung vernachlässigen soll.“

Wie zu Anfang von Bernhard ausgeführt gibt es keine eindimensionale Ursache für das schlechte Abschneiden der deutschen Spielsportarten bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Es können jedoch erste Ansatzpunkte für Verbesserungen offengelegt werden und genau darum geht es uns. Was können wir zur Verbesserung der aktuellen Herausforderungen in der deutschen Sportlandschaft und dem Spitzensport beitragen?
„Wir müssen neue Denkmodelle in der Führung und Entwicklung einer sportinhaltlichen Konzeption mit aktivem Beteiligungsdenken bei Verbänden und Vereinen einbringen […]. Aber wir müssen ja erstmal wieder die Kinder für die Idee faszinieren, dass es ein überragendes Gefühl ist, in einer funktionierenden Mannschaft gemeinsam zu gewinnen oder auch bei einer Niederlage aufgefangen zu werden. Das ist im Zuge von vielen egoistischen Entwicklungen der Gesellschaft immer mehr hintenübergefallen. Kinder und Jugendliche wollen auch nicht mehr so harte Wettkampfstrukturen, sie wollen freier sein. Deshalb braucht es viele neue Ansätze mit kleinen Mannschaften, kleinen Flächen, damit das einzelne Kind wieder intuitive Spielfähigkeit entwickelt. Viele unserer Bewegungstalente kommen gar nicht in die Systeme rein. Dazu braucht es aber andere Strukturen: Verbände und Vereine, die im Tagesgeschäft versinken, werden das nicht mehr leisten. Wir brauchen Verbesserungen systematisch und inhaltlich in den Spielsportarten.“

Genau da versuchen wir mit BPTC anzusetzen. Unsere Lösungsansätze sind dabei genauso individuell und persönlich wie die Herausforderungen. Mit BPTC Sports unterstützen wir Verbände und Vereine bei der individuellen sportinhaltlichen Entwicklung. Mit dem High Performance Sports Institute erweitern wir die Kompetenzen von Einzelpersonen, um sie auf die Herausforderungen der Sportwelt von morgen vorzubereiten. Strukturelle Veränderungen streben wir mit unserer Initiative „Hamburg bewegt Kids“ an, indem wir Kita- und Grundschulkindern, mithilfe der Ausbildung qualifizierter Kindertrainer, ein breites Angebot an unterschiedlichen, kindgerechten Bewegungsmöglichkeiten bieten. Damit wollen wir unseren Teil zur Verbesserung der Sportwelt beitragen, um wieder möglichst schnell außergewöhnliche olympische Erfolgsmomente gemeinsam feiern zu können.

Weitere Erkenntnisse zu den aktuellen Problemen der Sportwelt in Deutschland und den Lösungsansätzen von Bernhard Peters und BPTC finden Sie in dem Interview der FAZ „Diese Entwicklung hat dramatische Auswirkungen“ vom Samstag, den 14.08.21.

Quelle: Hellmann, Frank (05.08.2021), „Mannschaftssportarten bei Olympia
Bernhard Peters: „Kein Team, das wirklich Begeisterung erzeugen konnte““, Sportschau.de